Internationale Tagung
Netzwerk Gendermedizin&Öffentlichkeit
Alfried Krupp Wissenschaftskolleg
Universitätsmedizin Greifswald
Land Mecklenburg-Vorpommern
Vortrag von Prof. Pfleiderer
Foto: Dirk Schmidtke

Prof. Dr. Bettina Pfleiderer: Digitalisierung und künstliche Intelligenz in der Medizin - Impulse für geschlechtersensible Medizin - und darüber hinaus?

Eine Brücke zwischen KI und geschlechtersensibler Medizin zu schlagen - das war der Impetus des Vortrags von Prof.in Dr. Dr. Bettina Pfleiderer, die als Medizinerin ausdrücklich aus der Perspektive einer Anwenderin, nicht einer Entwicklerin berichtete. Pfleiderer schilderte zunächst den Status quo der Integration von KI in die Medizin und empfahl in diesem Zusammenhang ein im Magazin "Nature" veröffentlichtes Paper, das, wenn auch bereits 2020 erschienen, dennoch einen aktuellen Überblick liefere.

Daran angelehnt stellte Pfleiderer zunächst vier Technologien der Datenverarbeitung vor:
  • Big Data, also die Bereitstellung und Auswertung von großen Datenmengen. Deren Nutzung stehen allerdings - gerade in Deutschland - Ethikkommissionen und Datenschutz-Regelungen entgegen.
  • Digital Biomarkers, also physiologische, psychologische und verhaltensbasierte Indikatoren, die bei Diagnose und Therapie einer Krankheit helfen können.
  • Die Analyse von Sprachmustern, zur Zeit in aller Munde durch Chat GPT.
  • Robotics, also die Interaktion von Mensch und Maschine, die es erlaubt, durch die Interpretation von Hirnmustern mit Hilfe künstlicher Intelligenz herauszufinden, wie ein Mensch etwa einen Arm bewegt. Das, so die Hirnforscherin Pfleiderer, laufe schon ganz gut.
Die schöne, neue KI-Welt bringt aber auch Probleme mit sich. Pfleiderer nannte unerwünschte Verzerrungen bei der Interpretation der Daten, etwa durch Diskriminierung, historisch gewachsenen Vorurteile und persönliche Voreingenommenheit. Aber auch die Datenbasis selbst kann unvollständig sein, wenn etwa hauptsächlich oder ausschließlich Studien-Daten von Männern und nicht von Frauen erhoben wurden oder wenn Nebenwirkungen bestimmter Therapien nicht vorkommen. Pfleiderer: "Wenn wir uns jedoch auf diese Themen einlassen und bessere Daten generieren, dann versteht man auch besser die Zusammenhänge von Biologie und sozialer Umwelt."

Für Heiterkeit sorgte Pfleiderers Beschreibung ihres "Diskurses" mit Chat GPT. Auch wenn sich die KI oftmals wortreich entschuldigte - mit geschlechtersensibler Medizin kennt sie sich gar nicht aus. Das liege aber auch an der Terminologie, sagte Pfleiderer. So kennt Chat GPT keinen Unterschied zwischen geschlechtsspezifischer und geschlechtsabhängiger Medizin, bezieht die geschlechtersensible Medizin fast nur auf Frauen-spezifische Erkrankungen und nennt falsche oder nicht-relevante Literaturstellen. Das hänge auch von der Textbasis und vom Publikationsstand ab, sagte Pfleiderer: "Chat GPT kann nur so gut sein wie das, was wir ihm bieten."

Mit besserer Datenbasis könnte die KI laut Pfleiderer ihren "idealen Einsatz" darin finden, alle Einflussfaktoren auf unsere Gesundheit in all Ihrer Komplexität auszuwerten: individuelle, soziale und wirtschaftliche Faktoren ebenso wie unterschiedliche Lebenswelten. Auch könnte KI helfen, optimale Arzneimitteldosen in Abhängigkeit von Geschlecht und Lebenswelten zu finden.

Chat GPT versteht sich zwar auf Definitionen und reine Wissensfragen und zeigte sich auch in der Lage, das amerikanische und deutsche Staatsexamen in der Medizin mit einer Vier zu bestehen, versagt aber bei allen Transferaufgaben, also der Übertragung auf andere Kontexte. Andererseits schätzten Partienten laut einer weiteren Studie die Antworten von ChatGPT höher ein als jene von Ärzten/innen - unter anderem deshalb, weil ChatGPT mehr Worte machte als die Ärzte/innen und dadurch emphatischer wirkte.
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