Statements von Teilnehmenden
Einige Mitwirkende und Vortragende haben uns vorab Statements übermittelt, die wir auf dieser Seite dokumentieren.
Mag.a Ulrike Repnik, MA, Referentin beim Wiener Programm für Frauengesundheit, ist Mitherausgeberin des Sammelbands „Frauengesundheit und Corona“: „Die Corona-Krise trifft Frauen und Männer unterschiedlich und verstärkt Ungleichheiten. In unserer Publikation werden die Auswirkungen der Corona-Krise auf die Gesundheit von Frauen diskutiert - psychische und physische Gesundheit, sexuelle und reproduktive Gesundheit, Ungleichheit und Diskriminierung, die Rolle der Systemerhalterinnen, Sorgearbeit, ökonomische Auswirkungen und Arbeitsmarkt, den Zusammenhang von Raum und Geschlecht, Behinderungen, Migration und Flucht, Mädchen und Seniorinnen, Pflege wie auch die feministische Arbeit durch die Stadt Wien. Wichtig ist uns auch, dass frauenpolitische Forderungen aus den Beiträgen abgeleitet werden.“
Die Diabetologin Alexandra Kautzky-Willer ist Professorin für Gendermedizin an der Medizinischen Universität Wien, Vorstand der Österreichischen Gesellschaft für Gendermedizin und Präsidentin der Internationalen Gesellschaft für Gendermedizin (IGM): „Die COVID-19 Pandemie hat schnell zu weitreichenden Auswirkungen auf die globale Gesundheit und als Folge davon auf die Wirtschaft geführt. Während Männer offensichtlich ein höheres Risiko für schwere und tödliche Verläufe haben, sind Daten in besonders vulnerablen Gruppen, wie Menschen mit Vorerkrankungen wie Diabetes mellitus, bisher unvollständig und damit mehrdeutig. Kenntnisse über biologische Faktoren, die zu funktionell unterschiedlichen Immunantworten führen, und über geschlechtsspezifische soziokulturelle Determinanten der COVID-19-Infektionsraten müssen in Zukunft verstärkt geschlechtsspezifisch evaluiert werden um Prävention und Management bei beiden Geschlechtern zu optimieren.“
Margarethe Hochleitner ist eine der österreichischen Pionierinen der Gendermedizin. Die Professorin für Gender und Diversität an der Universität Innsbruck sieht die Pandemie als Herausforderung für die ganze Gesellschaft: „In der Gendermedizin etablierte Fakten wurden auf Corona nicht angewendet. Was haben wir immer schon gewusst? Infektionskrankheiten treten bei Männern in der Regel häufiger und in schwererer Form auf, mehr männliche Todesfälle. Nebenwirkungen, Unverträglichkeiten von Medikamenten, Impfungen treten bei Frauen häufiger auf. Diese zwei Fakten wurden völlig ignoriert. Im Gegenteil, als die vulnerable Gruppe wurden ausschließlich alte Frauen genannt. Alle Daten zu Corona waren nicht gegendert, sodass erst seit kurzem die höhere Zahl von männlichen Intensivpatienten und Todesopfern dokumentiert wird. Auch die psychischen Folgen, wie z.B. Long-Covid haben mangels Definition und Daten wenig Diskussion und keine bezüglich Geschlecht erhalten. Dazu kam, dass im Rahmen von Lockdown und anderen Maßnahmen psychologische Beratungsstellen und niedergelassene Medizinbereiche geschlossen wurden und viele Selbsthilfegruppen und NGOs kaum mehr aktionsfähig waren. Inzwischen zeigen Studien nicht nur an Österreichischen Universitäten, dass Frauen nicht zuletzt durch Homeoffice und Homeschooling, aber auch durch größeren Anteil an prekären Beschäftigungsverhältnissen mehr betroffen sind. Die Corona Pandemie zeigt sehr viele Ansätze für geschlechtsspezifizische Unterschiede, die allerdings nicht diskutiert und aufgrund von sehr lange ungegenderten Daten nicht beachtet wurden. Die Herausforderungen waren und sind groß, ein Backlash in Gendergedizin und Chancengleichheit für Frauen unübersehbar!“
Dr. rer. nat. Dirk Keiner – der Leiter der Zentralapotheke, Sophien- und Hufeland-Klinikum Weimar und Dozent an der SRH Hochschule für Gesundheit beschäftigt sich seit langem mit dem Thema Gendermedizin in der Pharmazie: „Wo stehen wir mehr als ein Jahr nach Beginn der Pandemie mit Blick auf differenzierte Auswirkungen von COVID-19 auf Frauen und Männer, einschließlich Jugendlicher und Kinder? Die Bereiche erstrecken sich dabei von der Erkrankungsdynamik über die medikamentöse Wirksamkeit neuer Therapien bis hin zu unterschiedlichen Nebenwirkungsrisiken. Ist eine geschlechtersensible Bewertung von Gesundheits- und Impfentscheidungen im Rahmen individualisierten Managementkonzepte heute schon möglich?“
Prof. Dr. med. Ineke Klinge ist Berichterstatterin beim EU-Programm Gendered Innovations 2: „Mein Vortrag wird sich mit den neuen Finanzierungsbedingungen befassen, die im Rahmen von des EU-Programms Horizont Europa gelten werden. Kommissarin Mariya Gabriel hat angekündigt, dass die Integration der Geschlechterdimension in die Forschungs- und Innovationsinhalte (d.h. die Analyse von Geschlecht und Gender) eine Standardanforderung für das gesamte Programm (Horizon Europe) sein werde. Das zeigt, dass die EU-Gleichstellungspolitik noch einmal gestärkt wurde. Forschern und Ingenieuren wurden modernste Methoden zur Verfügung gestellt, um die Analyse von Geschlecht, Gender und Intersektionalität in Forschungs- und Innovationsinhalte zu integrieren. Gendered Innovations 2, eine internationale Expertengruppe, die von der Europäischen Kommission einberufen wurde, hat solche State-of-the-Art-Methoden entwickelt, unterteilt in allgemeinere Methoden wie die Analyse von Geschlecht, ¬ die Analyse von Gender und intersektionale Ansätze und feldspezifische Methoden, die die sehr unterschiedlichen Forschungsbereiche abdecken, die zu Horizont Europa gehören. Neben diesen innovativen Methoden hat die Expertengruppe Fallstudien erstellt, die Beispiele dafür sind, wie durch die Integration von Methoden der Geschlechts-, Gender- und intersektionalen Analyse neues Wissen erzeugt werden kann. Beispiele für den Bereich Gesundheit sind Fallstudien zu verschreibungspflichtigen Medikamenten, chronischen Schmerzen und Systembiologie. Eine aktuelle Fallstudie zu geschlechtsspezifischen Aspekten der COVID-19-Pandemie wurde im Frühjahr 2020 von Sabine Oertelt-Prigione erstellt und zeigt die mehr als offensichtliche Relevanz der Integration einer geschlechtsspezifischen Analyse.“
Prof. Dr. Dr. med. Wolfgang Hoffmann ist Leiter Abteilung Versorgungsepidemiologie und Community Health am Institut für Community Medicine der Universitätsmedizin Greifswald: „In Deutschland und auch international ist die epidemiologische Inzidenz und Prävalenz der COVID-19 Erkrankung bezogen auf die Altersgruppen bei Männern und Frauen gleich. In den meisten Ländern, in denen Daten systematisch erhoben wurden, zeigte sich allerdings bei Männern ein deutlich höheres Risiko für schwere Krankheitsverläufe. In einer großen Metaanalyse war die Häufigkeit einer Behandlung auf der Intensivstation bei Männern im internationalen Durchschnitt etwa dreifach höher als bei Frauen, die Sterblichkeit etwa um 40 %. Frauen eher als Männer sehen COVID-19 als ein sehr schwerwiegendes Gesundheitsproblem an, sie stimmten den Maßnahmen zur Pandemie-Bekämpfung eher zu und verhielten sich risikovermindernd. Dieses geschlechtsdivergente Verhalten konnte nicht durch demographische, berufliche oder psychologische Aspekte und auch nicht durch soziale Erwünschtheit erklärt werden. Gleichzeitig betrafen die sozialen und gesellschaftlichen Auswirkungen der Pandemie in vielen Lebensbereichen Frauen stärker als Männer. So stieg die Arbeitslosigkeit bei Frauen deutlich früher und stärker als bei Männern und Frauen kehrten nach dem Abklingen der Pandemie langsamer in die Berufstätigkeit zurück. Unterrepräsentiert waren Frauen dagegen in den Gremien, die in vielen Ländern gegründet wurden, um die Pandemie zu bekämpfen. In 85,2% von 115 nationalen Covid-19 Taskforces in 87 Ländern, darunter 17 EU Staaten, waren Männer in der Mehrheit, in 11,4 % Frauen. Nur in 3,5% der Krisenstäbe bestand Parität der Geschlechter! Die Pandemie hat weltweit in vielfacher Hinsicht Geschlechtsunterschiede deutlich gemacht. Prävention, Management, die Organisation der Versorgung, politische Entscheidungen und gesellschaftliche Prioritätensetzungen müssen diese Unterschiede systematisch berücksichtigen. Dann kann die weltweite Erfahrung der Pandemie – und ihrer erfolgreichen Überwindung – die Geschlechtersensibilität und -gerechtigkeit stärken.“
Dr. med. Ute Seeland – die Gendermedizinerin aus der Charité Universitätsmedizin Berlin hat aktuell die Klara Marie Faßbinder-Gastprofessur für Frauen und Geschlechterforschung Universität Mainz inne: „Östrogene modulieren den Verlauf von Krankheiten und sind für Geschlechterunterschiede verantwortlich. Die Fluktuation über das Lebenszeitalter, die genetische Disposition bedingt durch die Sexualchromosomen und das komplexe Zusammenspiel mit den soziokulturellen Determinanten sind mächtige Erklärungsansätze für eine gesteigerte Empfindlichkeit prämenopausaler Frauen für eine SARS-CoV2 Infektion aber auch für eine effektivere Virusverteidigung bei COVID-19 Erkrankung im Vergleich zu nicht-Östrogen-dominierten Geschlechtern!“
Dr. Sandra Lemanski ist Mitarbeiterin am Lehrstuhl Gesundheit und Prävention Universitätsmedizin Greifswald und Sprecherin des Arbeitskreises Gender und Gesundheit Mecklenburg-Vorpommern: „Der 2010 gebildete Arbeitskreis Gender & Gesundheit Mecklenburg-Vorpommern hat sich zum Ziel gesetzt, eine geschlechtersensible und -differenzierte Betrachtungsweise von Gesundheitsförderung, Prävention und Versorgung im Gesundheitswesen voranzubringen. Dabei sollen vorrangig praktisch und politisch wirkende Akteure im Gesundheitswesen für die wissenschaftlichen Erkenntnisse im Bereich Gender und Gesundheit sensibilisiert werden. Zudem ist der Arbeitskreis als aktives Mitglied im Aktionsbündnis für Gesundheit Mecklenburg-Vorpommern an der Entwicklung der Gesundheitsziele des Landesbeteiligt. Die Zeit der Pandemie hat noch einmal deutlich gezeigt, dass sowohl die Relevanz wie auch die Dringlichkeit zur Umsetzung der bisherigen Erkenntnisse bei weitem noch nicht in der Praxis und bei den politischen Entscheidungsträgern angekommen sind. Dies entspricht in weiten Teilen auch den Erfahrungen aus unserer Arbeit vor der Pandemie, in der wir immer wieder beobachten mussten, dass das Thema Gender und Gesundheit eher als randständig wahrgenommen. Vor allem in Anbetracht der noch ausstehenden systematischen Reflexion der Lernerfahrungen aus der Pandemie und den daraus ggf. abzuleitenden Maßnahmen, sehen wir als Arbeitskreis eine Chance, die Auseinandersetzung mit dem Thema neu zu bewerten und entsprechend zu priorisieren.“
Die Diabetologin Alexandra Kautzky-Willer ist Professorin für Gendermedizin an der Medizinischen Universität Wien, Vorstand der Österreichischen Gesellschaft für Gendermedizin und Präsidentin der Internationalen Gesellschaft für Gendermedizin (IGM): „Die COVID-19 Pandemie hat schnell zu weitreichenden Auswirkungen auf die globale Gesundheit und als Folge davon auf die Wirtschaft geführt. Während Männer offensichtlich ein höheres Risiko für schwere und tödliche Verläufe haben, sind Daten in besonders vulnerablen Gruppen, wie Menschen mit Vorerkrankungen wie Diabetes mellitus, bisher unvollständig und damit mehrdeutig. Kenntnisse über biologische Faktoren, die zu funktionell unterschiedlichen Immunantworten führen, und über geschlechtsspezifische soziokulturelle Determinanten der COVID-19-Infektionsraten müssen in Zukunft verstärkt geschlechtsspezifisch evaluiert werden um Prävention und Management bei beiden Geschlechtern zu optimieren.“
Margarethe Hochleitner ist eine der österreichischen Pionierinen der Gendermedizin. Die Professorin für Gender und Diversität an der Universität Innsbruck sieht die Pandemie als Herausforderung für die ganze Gesellschaft: „In der Gendermedizin etablierte Fakten wurden auf Corona nicht angewendet. Was haben wir immer schon gewusst? Infektionskrankheiten treten bei Männern in der Regel häufiger und in schwererer Form auf, mehr männliche Todesfälle. Nebenwirkungen, Unverträglichkeiten von Medikamenten, Impfungen treten bei Frauen häufiger auf. Diese zwei Fakten wurden völlig ignoriert. Im Gegenteil, als die vulnerable Gruppe wurden ausschließlich alte Frauen genannt. Alle Daten zu Corona waren nicht gegendert, sodass erst seit kurzem die höhere Zahl von männlichen Intensivpatienten und Todesopfern dokumentiert wird. Auch die psychischen Folgen, wie z.B. Long-Covid haben mangels Definition und Daten wenig Diskussion und keine bezüglich Geschlecht erhalten. Dazu kam, dass im Rahmen von Lockdown und anderen Maßnahmen psychologische Beratungsstellen und niedergelassene Medizinbereiche geschlossen wurden und viele Selbsthilfegruppen und NGOs kaum mehr aktionsfähig waren. Inzwischen zeigen Studien nicht nur an Österreichischen Universitäten, dass Frauen nicht zuletzt durch Homeoffice und Homeschooling, aber auch durch größeren Anteil an prekären Beschäftigungsverhältnissen mehr betroffen sind. Die Corona Pandemie zeigt sehr viele Ansätze für geschlechtsspezifizische Unterschiede, die allerdings nicht diskutiert und aufgrund von sehr lange ungegenderten Daten nicht beachtet wurden. Die Herausforderungen waren und sind groß, ein Backlash in Gendergedizin und Chancengleichheit für Frauen unübersehbar!“
Dr. rer. nat. Dirk Keiner – der Leiter der Zentralapotheke, Sophien- und Hufeland-Klinikum Weimar und Dozent an der SRH Hochschule für Gesundheit beschäftigt sich seit langem mit dem Thema Gendermedizin in der Pharmazie: „Wo stehen wir mehr als ein Jahr nach Beginn der Pandemie mit Blick auf differenzierte Auswirkungen von COVID-19 auf Frauen und Männer, einschließlich Jugendlicher und Kinder? Die Bereiche erstrecken sich dabei von der Erkrankungsdynamik über die medikamentöse Wirksamkeit neuer Therapien bis hin zu unterschiedlichen Nebenwirkungsrisiken. Ist eine geschlechtersensible Bewertung von Gesundheits- und Impfentscheidungen im Rahmen individualisierten Managementkonzepte heute schon möglich?“
Prof. Dr. med. Ineke Klinge ist Berichterstatterin beim EU-Programm Gendered Innovations 2: „Mein Vortrag wird sich mit den neuen Finanzierungsbedingungen befassen, die im Rahmen von des EU-Programms Horizont Europa gelten werden. Kommissarin Mariya Gabriel hat angekündigt, dass die Integration der Geschlechterdimension in die Forschungs- und Innovationsinhalte (d.h. die Analyse von Geschlecht und Gender) eine Standardanforderung für das gesamte Programm (Horizon Europe) sein werde. Das zeigt, dass die EU-Gleichstellungspolitik noch einmal gestärkt wurde. Forschern und Ingenieuren wurden modernste Methoden zur Verfügung gestellt, um die Analyse von Geschlecht, Gender und Intersektionalität in Forschungs- und Innovationsinhalte zu integrieren. Gendered Innovations 2, eine internationale Expertengruppe, die von der Europäischen Kommission einberufen wurde, hat solche State-of-the-Art-Methoden entwickelt, unterteilt in allgemeinere Methoden wie die Analyse von Geschlecht, ¬ die Analyse von Gender und intersektionale Ansätze und feldspezifische Methoden, die die sehr unterschiedlichen Forschungsbereiche abdecken, die zu Horizont Europa gehören. Neben diesen innovativen Methoden hat die Expertengruppe Fallstudien erstellt, die Beispiele dafür sind, wie durch die Integration von Methoden der Geschlechts-, Gender- und intersektionalen Analyse neues Wissen erzeugt werden kann. Beispiele für den Bereich Gesundheit sind Fallstudien zu verschreibungspflichtigen Medikamenten, chronischen Schmerzen und Systembiologie. Eine aktuelle Fallstudie zu geschlechtsspezifischen Aspekten der COVID-19-Pandemie wurde im Frühjahr 2020 von Sabine Oertelt-Prigione erstellt und zeigt die mehr als offensichtliche Relevanz der Integration einer geschlechtsspezifischen Analyse.“
Prof. Dr. Dr. med. Wolfgang Hoffmann ist Leiter Abteilung Versorgungsepidemiologie und Community Health am Institut für Community Medicine der Universitätsmedizin Greifswald: „In Deutschland und auch international ist die epidemiologische Inzidenz und Prävalenz der COVID-19 Erkrankung bezogen auf die Altersgruppen bei Männern und Frauen gleich. In den meisten Ländern, in denen Daten systematisch erhoben wurden, zeigte sich allerdings bei Männern ein deutlich höheres Risiko für schwere Krankheitsverläufe. In einer großen Metaanalyse war die Häufigkeit einer Behandlung auf der Intensivstation bei Männern im internationalen Durchschnitt etwa dreifach höher als bei Frauen, die Sterblichkeit etwa um 40 %. Frauen eher als Männer sehen COVID-19 als ein sehr schwerwiegendes Gesundheitsproblem an, sie stimmten den Maßnahmen zur Pandemie-Bekämpfung eher zu und verhielten sich risikovermindernd. Dieses geschlechtsdivergente Verhalten konnte nicht durch demographische, berufliche oder psychologische Aspekte und auch nicht durch soziale Erwünschtheit erklärt werden. Gleichzeitig betrafen die sozialen und gesellschaftlichen Auswirkungen der Pandemie in vielen Lebensbereichen Frauen stärker als Männer. So stieg die Arbeitslosigkeit bei Frauen deutlich früher und stärker als bei Männern und Frauen kehrten nach dem Abklingen der Pandemie langsamer in die Berufstätigkeit zurück. Unterrepräsentiert waren Frauen dagegen in den Gremien, die in vielen Ländern gegründet wurden, um die Pandemie zu bekämpfen. In 85,2% von 115 nationalen Covid-19 Taskforces in 87 Ländern, darunter 17 EU Staaten, waren Männer in der Mehrheit, in 11,4 % Frauen. Nur in 3,5% der Krisenstäbe bestand Parität der Geschlechter! Die Pandemie hat weltweit in vielfacher Hinsicht Geschlechtsunterschiede deutlich gemacht. Prävention, Management, die Organisation der Versorgung, politische Entscheidungen und gesellschaftliche Prioritätensetzungen müssen diese Unterschiede systematisch berücksichtigen. Dann kann die weltweite Erfahrung der Pandemie – und ihrer erfolgreichen Überwindung – die Geschlechtersensibilität und -gerechtigkeit stärken.“
Dr. med. Ute Seeland – die Gendermedizinerin aus der Charité Universitätsmedizin Berlin hat aktuell die Klara Marie Faßbinder-Gastprofessur für Frauen und Geschlechterforschung Universität Mainz inne: „Östrogene modulieren den Verlauf von Krankheiten und sind für Geschlechterunterschiede verantwortlich. Die Fluktuation über das Lebenszeitalter, die genetische Disposition bedingt durch die Sexualchromosomen und das komplexe Zusammenspiel mit den soziokulturellen Determinanten sind mächtige Erklärungsansätze für eine gesteigerte Empfindlichkeit prämenopausaler Frauen für eine SARS-CoV2 Infektion aber auch für eine effektivere Virusverteidigung bei COVID-19 Erkrankung im Vergleich zu nicht-Östrogen-dominierten Geschlechtern!“
Dr. Sandra Lemanski ist Mitarbeiterin am Lehrstuhl Gesundheit und Prävention Universitätsmedizin Greifswald und Sprecherin des Arbeitskreises Gender und Gesundheit Mecklenburg-Vorpommern: „Der 2010 gebildete Arbeitskreis Gender & Gesundheit Mecklenburg-Vorpommern hat sich zum Ziel gesetzt, eine geschlechtersensible und -differenzierte Betrachtungsweise von Gesundheitsförderung, Prävention und Versorgung im Gesundheitswesen voranzubringen. Dabei sollen vorrangig praktisch und politisch wirkende Akteure im Gesundheitswesen für die wissenschaftlichen Erkenntnisse im Bereich Gender und Gesundheit sensibilisiert werden. Zudem ist der Arbeitskreis als aktives Mitglied im Aktionsbündnis für Gesundheit Mecklenburg-Vorpommern an der Entwicklung der Gesundheitsziele des Landesbeteiligt. Die Zeit der Pandemie hat noch einmal deutlich gezeigt, dass sowohl die Relevanz wie auch die Dringlichkeit zur Umsetzung der bisherigen Erkenntnisse bei weitem noch nicht in der Praxis und bei den politischen Entscheidungsträgern angekommen sind. Dies entspricht in weiten Teilen auch den Erfahrungen aus unserer Arbeit vor der Pandemie, in der wir immer wieder beobachten mussten, dass das Thema Gender und Gesundheit eher als randständig wahrgenommen. Vor allem in Anbetracht der noch ausstehenden systematischen Reflexion der Lernerfahrungen aus der Pandemie und den daraus ggf. abzuleitenden Maßnahmen, sehen wir als Arbeitskreis eine Chance, die Auseinandersetzung mit dem Thema neu zu bewerten und entsprechend zu priorisieren.“